Realisierung komplexer Bauten durch parametrische Planung
Freiformprojekte wie die Tourismusbauten von The Red Sea, der Neubau des Swatch-Gebäudes in Biel, das Besucherzentrum Maggie’s in Leeds oder die Cambridge Mosque haben bewiesen, dass kaum eine Form zu ausgefallen ist, um nicht gebaut zu werden.
Was es bedeutet, Geometrien zu modellieren und zu programmieren sowie Regelwerke durch Funktionen oder Konstruktionsprinzipien zu erstellen, erklärt Ursula Frick, Leiterin Geometrie und parametrische Planung.
Was ist parametrische Planung eigentlich?
URSULA FRICK Im Gegensatz zur herkömmlichen CAD-Planung, bei der wir Pläne zeichnen, programmieren wir bei der parametrischen Planung am dreidimensionalen Modell. Das heisst, wir erstellen ein Regelwerk – zum Beispiel für einen Bogenträger – indem wir ihn durch Funktionen, Parameter oder Konstruktionsprinzipien beschreiben und seine Lage im Gebäude, Krümmung, Anschlüsse an andere Bauteile und so weiter definieren.
Zur Person
Ursula Frick ist Leiterin Geometrie und parametrische Planung im Bereich Holzbau.
Was zeichnet ein parametrisches Modell im Allgemeinen aus?
URSULA FRICK Konkret geht es um digitale 3D-Modelle, die alle Elemente, Fugen und Verbindungen eines Architekturprojekts in Abhängigkeit der gegebenen Parameter genau definieren. Das ermöglicht es uns, eine durchgängige digitale Prozesskette zu schaffen, die direkt den CAD-Entwurf des Gebäudes mit der computergestützten CAM-Fertigung verbindet. Das Ergebnis sind präzise Einzelteile, die perfekt zusammenpassen. Ohne parametrische Tools wäre es praktisch nicht möglich, sehr komplexe Bauten wie zum Beispiel das Swatch-Gebäude zu realisieren.
Wann ist es sinnvoll oder sogar notwendig, parametrisch zu planen?
URSULA FRICK Zuerst fragt man sich, ob eine Anordnung zufällig ist oder einer Regel folgt. Wenn die Regel erkennbar ist, kann das Bauteil oder Gebäude parametrisiert werden und wird dadurch veränderbar und anpassungsfähig. Ein Beispiel dafür ist unser aktuelles Projekt St. Regis Red Sea Resort mit seinen spiralförmigen Villen und den Gebäuden mit Bogendesign. Die Logik der Dächer ist bei allen Bauten ähnlich, aber die Dimensionen und Formen sind unterschiedlich. Wir programmieren also das Grundprinzip – wie sich Winkel und Spannweiten zueinander verhalten – und wenden es auf die 200 bis 300 verschiedenen Bauteile an. Das spart enorm viel Zeit.
«Ohne parametrische Tools wäre die Realisation von sehr komplexen Bauten praktisch nicht mehr möglich.»Ursula Frick, Leiterin Geometrie und parametrische Planung
URSULA FRICK sieht die Parametrik als ideale Verbindung ihrer beiden Studienrichtungen Bauingenieurwesen und Architektur. Seit 2017 bei Blumer Lehmann, baut sie mit ihrem Team das Know-how rund um die parametrische Planung auf und übernimmt alle Aufgaben von der Projektentwicklung und Beratung in frühen Phasen bis hin zur Erstellung von massgeschneiderten Geometrien für die Produktion. Das «Maggie’s » in Leeds, ihr erstes Projekt für Blumer Lehmann, und «Sunflower», die Skulptur nach ihren eigenen Architekturentwürfen, sind ihr besonders ans Herz gewachsen.
Wie profitiert der Holzbau, wenn parametrisch geplant wird?
URSULA FRICK Wir können die Informationen vom Entwurf bis zu den Produktionsdaten digitalverknüpfen. Damit lassen sich unsere 3D-Modelle nicht nur präziser und effizienter erstellen, sondern die Daten auch für jede einzelne Maschine optimieren. Und wir können viel schneller Anpassungen vornehmen und Informationen in die digitalen Pläne einarbeiten; beispielsweise für den Transport, die Segmentierung oder die Montagereihenfolge. So entwarfen wir für das Dach des Golfclubhauses im Projekt «The Red Sea» ein digitales Modell, das alle für die Planung erforderlichen Elemente einschliesst – vom Achsmodell zur statischen Berechnung bis hin zu den detaillierten Verbindungsknoten. Das bedeutet, die über 20 000 Verbindungsmittel in einem Dachelement wie beispielsweise Stahlplatten und Schrauben waren darin bereits vorgemerkt.
Verändert sich der Prozess vom Entwurf bis zur Produktion?
URSULA FRICK Viele Architekten arbeiten auch mit parametrischen Planungstools. Ihre Entwürfe liegen uns also bereits als 3D-Modelle vor. Oder sie gehen noch einen Schritt weiter und liefern uns sogenannte Geometry oder Design Method Statements. Darin wird die Geometrie mit ihrem Regelwerk beschrieben, zum Beispiel die grundlegende Logik in Bezug auf Grundform und Proportionen. Entsprechend bauen wir mit diesem Regelwerk unser eigenes 3D-Modell auf, nehmen wo nötig Anpassungen vor und generieren daraus die optimierten Daten für die CNC-Bearbeitung.
Ursula Frick im Gespräch mit Bertie Hipkin aus dem Team.