Interview: Bauen mit Holz aus dem eigenen Wald
Längst nicht nur in der Theorie hat das Modell der lokalen Beschaffungsketten die Baubranche erfasst. Diesen Trend stellt auch Urban Jung, Geschäftsführer unserer Holzindustrie-Betriebe, deutlich fest. Immer öfters erhält er Anfragen zur Verarbeitung von Rundholz aus dem eigenen Wald. Zum Beispiel von Gemeinden, etwa für die Realisation von öffentlichen Bauten.
Urban, wie muss man sich das vorstellen – ich habe ein Stück Wald und möchte den Rohstoff für den Bau der örtlichen Schule oder eines anderen Bauprojekts einsetzen?
URBAN JUNG Ja genau. Im Kontext der Reduktion von CO2-Emissionen stellen wir fest, dass einerseits immer öfter mit Holz gebaut wird und andererseits aber auch der Wunsch entsteht, die vorhandene Ressource «Holz» einer Gemeinde oder Korporation für ein konkretes Bauprojekt zu nutzen.
Und dann, wie gelangt die Anfrage ins Holzwerk?
Oft ist es ein Bauherr einer öffentlichen Institution oder ein Holzbauer, der uns für die Verarbeitung des eigenen Rundholzes anfragt. Das heisst, wir bekommen eine Anfrage für das Einsägen sowie die passende Weiterverarbeitung, sei es das Hobeln oder Keilzinken der Produkte, oder für die Belieferung von weiterverarbeitenden Leimholzproduzenten.
Ihr bepreist also die Verarbeitung. Wer ist nachher für die Lieferung und Montage, zum Beispiel von einer Fassade, zuständig?
Das ist der ausführende Holzbaubetrieb.
Gibt es erfolgreich realisierte Projekte, die wir bereits in dieser Art umsetzen konnten?
Ja, davon gibt es mehrere. Aktuell liefern wir zum Beispiel das Holz für den Neubau des Hallenbads in Appenzell, für die Gesamtsportanlage Rietwis in Wattwil oder für Erweiterungsbauten des Bildungsund Forschungszentrums AgroVet-Strickhof in Lindau, Zürich.
Hallenbad Appenzell, Visualisierung Aussenansicht Equilibre © nightnurse images, Zürich
Und was ist der Vorteil, wenn das Holz so bestellt wird? Ist das nicht viel umständlicher und teurer für den Bauherren?
Nein, das ist es nicht. Die Vorteile für den Abnehmer bestehen darin, dass er sein Holz direkt sinnvoll einsetzen kann und klar über die Herkunft des Holzes dokumentiert ist. Ebenfalls fallen die Margen für den Wiederverkauf weg. In Zeiten von grossem Schadholzanfall kann so der wertvolle Rohstoff geeignet verwendet werden.
Du sprichst die Holzqualität an. Kann der Kunde einfach die gewünschte Qualität bestellen und ihr liefert sie? Oder wie sieht der ideale Prozess aus?
Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Holz ist und bleibt ein Naturprodukt. Für uns sieht der ideale Prozess so aus, dass der Kunde oder der verarbeitende Holzbauer möglichst früh auf uns zukommt. Gemeinsam kann man dann die ideale «Ausbeute» aus dem vorhandenen Rundholz definieren. Diese hängt nämlich von den gewünschten Qualitätsanforderungen ab. Da sind wir als Sägefachleute sicher die Ansprechpartner mit dem grössten Erfahrungsschatz und Beurteilungsvermögen. Je nach Einsatzgebiet und der geforderten Qualität, zum Beispiel ohne Astlöcher oder Verfärbungen, kann eine Weiterverarbeitung im Keilzinkwerk infrage kommen, oder die anfallenden Qualitäten werden den entsprechenden Anwendungen zugeführt.
Interessant. Gehen wir nochmals auf das Thema Keilverzinken ein. Seit letztem Jahr können wir bekanntlich keilverzinkte Produkte liefern. Welche Vorteile hat das für den Kunden? Und welche Produkte bieten wir an?
Mit dem Verarbeitungsschritt des Keilzinkens können wir die Holzqualität dem Verwendungszweck entsprechend beeinflussen. Das heisst, wir können vom gewachsenen Holz, je nach Qualitätsanforderungen mehr oder weniger Fehler aus dem Holz wegschneiden und die Reststücke wieder zusammenfügen. Weiter können so auch die benötigten Längen zwischen 3 und 6 m frei gewählt werden. Somit können wir mit unserem Schnittholz fast alle Wünsche erfüllen. Zum Standardsortiment gehören keilverzinkte Latten, Rohhobler, Fassadenlösungen, Stülpschalungen, Schalungen mit Sichtnut, Rhomboidschalungen oder auch Innenverkleidungen – fast alles ist machbar. Die Fassadenverkleidungen sind in den verschiedenen Qualitäten N1 und A astrein sowie auf Wunsch in Rift/ Halbrift erhältlich und werden mit formaldehydfreiem PU-Klebstoff verleimt. Auch unterschiedliche Standardprofile sowie eine Vielfalt an individuellen Profilen, diverse Holzarten und Oberflächenbehandlungen stehen zur Auswahl.
Urban, danke für deine Auskünfte, das scheint ein sehr interessantes Geschäftsfeld zu sein. Wie schätzt du persönlich die Zukunft des Roh- und Baustoffes Holz ein?
Holz wird der Baustoff der Zukunft sein, für sehr viele Bauteile. Einerseits ist der Rohstoff für die Architektur sehr interessant, da man damit praktisch alle Formen gestalten kann (siehe Free Form von Blumer Lehmann). Ausserdem inspiriert die haptische Oberfläche und strahlt eine gewisse Wärme aus. Holz ist der einzige Rohstoff, der regional nachwächst, CO2 bindet und zu dessen Verarbeitung sehr wenig Energie aufgewendet werden muss. Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern hat also alle Vorteile eines Baustoffs der Zukunft.