Aus Tradition Zukunft bauen

Was ihr die 150 Jahresringe des Unternehmens bedeuten, worüber sie mit dem Gründervater heute sprechen würde und mehr. CEO Katharina Lehmann spricht über Verantwortung, Investitionen, neue Möglichkeiten – und Zukunft.

Portrait Katharina Lehmann

Katharina Lehmann

We Love Future – was bedeutet der Jubiläumsclaim für dich?

KATHARINA LEHMANN «Bei den Jubiläumsvorbereitungen habe ich mich gedanklich oft in der Vergangenheit bewegt. Das ist für mich persönlich eine ungewohnte Perspektive. Wir blicken zurück, aber auch nach vorne: auf die Potenziale und Möglichkeiten des Holzes, unseres Unternehmens und unserer Aktivitäten in der Zukunft. Wir wollen die Zukunft aktiv angehen.»

Blumer Lehmann feiert sein 150-jähriges Bestehen – wie fühlt sich das für dich an?

KATHARINA LEHMANN «Ich fühle mich gleichermassen der Vergangenheit und der Zukunft verpflichtet und bin in Bezug auf das Jubiläum einfach sehr dankbar. Dafür, dass wir als Unternehmen diesen Geburtstag feiern dürfen und dank unserer Kunden und engagierten Mitarbeitenden diese langjährige Geschichte weiterschreiben können.»

Wenn du den Gründervater für einen Tag ins Heute einladen könntest – was würdest du ihm gerne zeigen oder ihn fragen?

KATHARINA LEHMANN «Hättest du dir damals vorstellen können, was mit Holz alles möglich ist?»
Tatsächlich haben wir uns bei der Aufbereitung unserer Firmengeschichte gefragt, wann das hölzerne Wasserrad stillgelegt und die Elektrifizierung eingeführt wurde. Das war 1925, vor 100 Jahren.
In diesem Zusammenhang würde ich ihm gerne zeigen, was Industrialisierung bedeutet: von 10 kVA Leistung im Jahr 1925 auf heute 13 350 kVA und sechs Trafostationen.»

«Ich würde unseren Gründervater fragen: Hättest du dir vorstellen können, was mit Holz alles möglich ist?»
Katharina Lehmann

Welche Grundsätze und Werte der Generationen vor dir hast du bewahrt?

KATHARINA LEHMANN «Das langfristige Denken, den familiären und persönlichen Umgang und die Gewissheit, dass die Ideen, Anregungen und Ambitionen der Mitarbeitenden und die Herausforderungen der Kunden das Erfolgsrezept sind. Und natürlich die grosse Wertschätzung und Leidenschaft für den Werkstoff Holz.»

In welcher Hinsicht hast du deine eigenen Ideen im Unternehmen umgesetzt?

KATHARINA LEHMANN «Viele unserer Innovationen entstanden aus Markt- oder Kundenbedürfnissen. Während meiner Tätigkeit hat sich die Wahrnehmung von Holz stark verändert – technologisch, normativ und als nachhaltiger Baustoff. Ich habe aktiv daran gearbeitet, den Holzbau international weiterzuentwickeln und Lösungen über die Schweizer Grenzen hinaus zu finden»

Was bereitet dir schlaflose Nächte?

KATHARINA LEHMANN «Die Stabilität unseres Unternehmens, strategische Entscheidungen und die Verantwortung für unsere Mitarbeitenden. Oft frage ich mich: Ist ein Risiko unnötig oder kann es neue Chancen eröffnen? Wie unterscheidet sich eine logische Konsequenz von einem Wagnis? Diese Fragen und die langfristige Stabilität unserer Organisation für zukünftige Herausforderungen oder Wachstum lassen mich manchmal nachts nicht schlafen.»

Welches Projekt möchtest du schon lange realisieren und warum?

KATHARINA LEHMANN «Mit dem Neubau unseres Stammhauses und des Leimwerkes erfüllen wir uns derzeit zwei lang gehegte Träume. Während das neue Bürogebäude bereits bezogen ist, steht die Umsetzung der Verleimung zu Brettschichtholz und Brettsperrholz noch aus.
Mein grösster Wunsch ist, dass wir mit unseren neuen Holzindustrieprodukten viele neue Kunden, insbesondere Holzbaubetriebe, beliefern dürfen.
Ein Herzensprojekt ist die Öffnung unserer Ausbildungswerkstatt für Menschen mit Beeinträchtigungen. Soziale Nachhaltigkeit bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und Perspektiven zu schaffen.
Ich wünsche mir, dass wir Menschen mit besonderen Bedürfnissen eine Chance geben. 
Zudem wünsche ich mir spannende neue Projekte – ein Parkhaus oder ein Flughafenterminal aus Holz wäre eine grossartige Herausforderung.»

Was treibt Innovation und Motivation bei Blumer Lehmann an?

KATHARINA LEHMANN «Unsere Faszination für Holz bleibt unser grösster Antrieb. Es bietet enormes Potenzial und inspiriert uns immer wieder zu neuen Lösungen. Deshalb suchen wir aktiv den Austausch mit Forschungs- und Bildungseinrichtungen in der Schweiz und international.
Wir beobachten den Markt, lernen von Mitbewerbern und arbeiten häufig mit ihnen zusammen – sei es als Lieferant, Partner oder in gemeinsamen Holzbauprojekten. Denn nur gemeinsam kann die Holzindustrie ihren Beitrag zu einer dekarbonisierten Bauwirtschaft leisten.»

«Ich wünsche mir, unsere Ausbildungswerkstatt für Menschen mit Beeinträchtigungen zu öffnen und ihnen eine echte Chance zu geben.»
Katharina Lehmann
Im Interview mit Katharina Lehmann

Im Interview mit Katharina Lehmann

Blumer Lehmann hat viel in die Zukunft investiert. Welche neuen Stärken hat das Unternehmen dadurch gewonnen und wofür?

KATHARINA LEHMANN «Wir haben unsere Produktionskapazitäten im Holzbau erweitert, Prozesse gebündelt und die Basis für weitere Automatisierung geschaffen. Besonders bei Boden- und Deckenelementen können wir künftig noch effizienter arbeiten.
Die Zusammenführung unserer Teams im Stammhaus stärkt die bereichsübergreifende Zusammenarbeit und optimiert die gesamte Wertschöpfungskette – immer mit Blick auf die Entwicklungen im Holzbau und in der Holzindustrie.»

Bedeuten die Investitionen und neuen Möglichkeiten auch neue Märkte?

KATHARINA LEHMANN «In erster Linie verbessern wir unsere Prozesse, steigern die Kapazität und erweitern unser Produktangebot. Dadurch können wir grössere Holzbauprojekte umsetzen und mehr Module produzieren. Gleichzeitig haben wir die Infrastruktur für unsere Lernenden verbessert und die Arbeitsabläufe für unsere Montagefachleute optimiert. Unser Ziel ist es, bestehende Kundenbeziehungen zu vertiefen und neue Kunden in unseren heutigen Märkten zu gewinnen.»

Und was kommt nun nach Infrastrukturausbau, Prozess­ optimierung und Academy?

KATHARINA LEHMANN «Wir werden sehen. Auf jeden Fall wollen wir den Erlenhof als Ausbildungsort und Inspirationsquelle für uns selbst, aber auch für unsere Kunden, Partner, Lieferanten und Subunternehmer nutzen und die partnerschaftliche Zusammenarbeit weiter vertiefen. Auch das findet seinen Platz im Konzept unserer Academy.»

Wie bleibt die familiäre Kultur und Zusammenarbeit im Unternehmen trotz Wachstum und Expansion ins Ausland erhalten?

KATHARINA LEHMANN «Kultur entsteht zwischen Menschen. Es liegt in der Verantwortung unserer Führungskräfte, den familiären Umgang zu pflegen, unsere Werte vorzuleben und unsere Mitarbeitenden wertzuschätzen. Sie müssen fordern und fördern, organisieren und kontrollieren – stets im Balanceakt zwischen Flexibilität und Stabilität, Tradition und Innovation sowie dem Akzeptieren individueller Stärken und Schwächen.»

Blumer Lehmann gehört zu den Pacemakern im Holzbau und treibt die Entwicklung selbst voran. Geht es dir schnell genug?

KATHARINA LEHMANN «Unsere Bereiche entwickeln sich in der Summe und im Zusammenspiel sicher schnell genug! Ich stelle aber fest, dass wir als Holzbranche verlernt haben, die richtigen und wichtigen Themen anzugehen bzw. konzentriert und fokussiert an unseren zukünftigen Rahmenbedingungen zu arbeiten. Und als Baubranche insgesamt sind wir nach wie vor träge und nicht sehr innovativ. Hier wünsche ich mir für die Zukunft mehr Umsetzungsgeschwindigkeit und Leidenschaft – insbesondere in einem kundenfreundlichen und gebündelten, effizienten Energiekonzept für Gebäude.»

Was ist deine Vision einer Holzwirtschaft, der Blumer Lehmann immer näherkommt?

KATHARINA LEHMANN «Wir arbeiten mit einem Rohstoff, der in fast allen Ländern auf der Welt vor der Haustür wächst und CO2 sequestriert, speichert und substituiert.
Unsere Vision ist eine Wertschöpfungskette, in der nichts verloren geht: Rundholz kommt an, wird verarbeitet und am Ende bleibt nur Energie, die in der Stromleitung abtransportiert wird. Gleichzeitig entwickelt sich der Holzbau weiter – technologisch und als Teil der Städte. Ich freue mich, dass die Forst- und Holzwirtschaft immer stärker als Gesamtsystem verstanden wird und ihr Potenzial zunehmend erkannt wird.»

«Unsere Vision ist eine Wertschöpfungskette, in der nichts verloren geht: Rundholz kommt an, wird verarbeitet, und was übrig bleibt, wird in Energie umgewandelt.»
Katharina Lehmann